Vorwärtsgerichtet tragen: Ist Facing Out top oder flop

- Kategorie : Tragetipps
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Ganz oft werden wir gefragt, ob man mit dem Buzzidil auch mit Blick nach vorn tragen kann. Klar, kann man sein Baby nach vorne tragen! Am besten bietet sich da aber das Rückentragen an. 6 Gründe, warum „facing out“ oder "nach vorne tragen" keine Top Tragevariante ist. 

Ein Kind in der Wanderkraxe am Rücken, eins baumelt mit Blick nach vorn vor dem Bauch – Filmplakat des Vin Diesel Films „Babynator“. Und das ist nur einer von unzähligen Hollywood Filmen, in dem ein Baby vorwärtsgerichtet  (oft auch als „facing out“ bezeichnet), also nach vorne, getragen wird. Besonders in den USA ist vorwärtsgerichtet tragen „in“, aber auch auf diversen Fotos von Celebrities in Boulevardmagazinen sieht man diese ihre Kinder immer wieder mit Blick nach vorn tragen. Das ist natürlich sehr öffentlichkeitswirksam und ohne Zweifel eine Position, die dem Betrachter einen unverstellten Blick aufs Baby ermöglicht – quasi am Präsentierteller. Aber ist das auch wirklich alltagstauglich? 

Eins ist es jedenfalls – tolles Marketing. Und so kommt es, dass wir bei Messen und Ausstellungen regelmäßig mit der Frage konfrontiert sind: „Kann man das Baby damit auch mit Blick nach vorne tragen?

Meine Antwort: „Klar, kann man. Das kann man mit fast jeder Tragehilfe. Optimal ist es aber nie und ich sag dir auch warum….“ Im folgenden Video bekommst du alle Informationen zum Tragen "Facing Out":

Warum Baby nach vorne tragen ein Wunsch ist

Aber vorweg: Was steckt eigentlich hinter dem Wunsch, das Baby mit Blick nach vorn zu tragen? Ganz einfach: Dem Baby eine bessere Aussicht zu geben. Schließlich wollen Babys ja die Welt entdecken! Und das zu unterstützen, ist natürlich ein sehr nachvollziehbares Anliegen!  

Manche Hersteller werben auch damit, dass diese Trageposition das Gehirn stimuliert. Ab ca. 6 Monaten würden Babys davon profitieren in Gehrichtung getragen zu werden. Dazu aber später noch. 

Gute (?) Aussicht vs. Reizüberflutung

Wir haben uns zuallererst mal die Frage gestellt: Hat ein Baby, das vor dem Bauch hängend mit Blick nach vorn getragen wird, tatsächlich so eine tolle Aussicht?

Wir haben dazu einen Versuch mit einer Tragepuppe in der Trage vorwärts gerichtet auf einer nicht wirklich vollen Fußgängerzone im Spätherbst an einem Donnerstag Nachmittag gemacht. Hier siehst Du, was das Baby sieht: 

Fazit: Die Aussicht ist eigentlich auf Bäuche, Taschen und Popos gerichtet. Um langfristig viel von der Umgebung zu sehen, müsste das Baby seinen Kopf dauerhaft in den Nacken legen. Eine recht anstrengende Position. Bequem ist das Baby nach vorne tragen also nicht.

Die Gehgeschwindigkeiten verdoppeln sich! Du gehst, die Passanten kommen Dir entgegen. Das ist alles extrem schnell. 

Ein Abwenden ist Deinem Kind nicht möglich, schließlich hängt es wie eine Galionsfigur vor Deinem Bauch. Es kann sich auch nicht durch einen Blick auf Dich versichern.

Nicht umsonst wird immer wieder als Argument gegen das Tragen vor dem Bauch mit Blick nach vorn die Reizüberflutung genannt. Tatsächlich ist das alles sehr schnell und manchmal wird es fast bedrohlich eng. 

Und wenn Dein Baby einschläft ist sein letzter Blick … der Gehsteig, Schuhe, keine Bezugsperson. 

Das Argument der tollen Aussicht können wir somit eigentlich nicht teilen. Aber da gibt es noch eine Reihe weiterer wichtiger Einwände: Facing Out ist wenig ergonomisch!

Fehlende Stützung im oberen Rücken / Hohlkreuz beim nach vorne tragen

In den ersten Monaten können Babys ihren Kopf noch nicht lange allein halten und auch die Rückenentwicklung ist noch nicht weit fortgeschritten. Deswegen dauert es einige Monate, bis Babys zu krabbeln und selbständig zu sitzen beginnen. Eine optimale Stützung im Rückenbereich ist für eine gesunde Entwicklung aber wichtig. Wenn du Dein Baby zu Dir gewandt trägst, dann wird es in einer passenden (!) Tragehilfe optimal gestützt.  Es kann sich an Dich ankuscheln, was wiederum der natürlichen C-Form der Wirbelsäule entspricht. Beim Tragen mit dem Blick nach vorne zieht der schwere Kopf Dein Baby eher von Deinem Körper weg. Das Baby baumelt vor Deinem Bauch herum. 

Das kann man ja einstellen, höre ich den Einwand. Kann man. In dem Fall wird das Kind bis vor die Brust gestützt. Dabei ist jedoch eine C-förmige Rundung des Babyrückens nicht mehr möglich. Im Gegenteil: Da wir Großen vorn nicht gerade sondern ein wenig gerundet sind (ja, auch die unter uns mit dem perfekten Body), wird das Baby ins Hohlkreuz gebracht. Und auch das ist von ideal weit entfernt. 

Anhock-Spreiz-Haltung

Tragen ist gut für Babys Hüfte, heißt es bekanntlich. Und das stimmt auch. Durch die Unterstützung der natürlichen Anhock-Spreiz-Haltung des Babys (ihr wisst schon – die Haltung, bei der Babys ihre Beinchen wie kleine Frösche anziehen, auch bekannt als M-Haltung), wird die Reifung der noch weichen Hüftgelenke durch eine gute Trage unterstützt. 

Gerade diese Anhockung ist aber bei vielen Tragen, die mit der Trageposition „Facing Out“ werben durch einen schmalen Sitzbereich nicht unterstützt. Das Baby sitzt auf seinem Schambein, kleine Buben auf ihren Geschlechtsteilen (autsch).

Jetzt haben einige Hersteller dieses Problem erkannt und sich überlegt, wie eine Anhockung hergestellt werden könnte. Im Prinzip funktioniert das dann durch eine Art Polsterung, auf der das Baby aufsitzt und bei der die Beinchen in eine zumindest leichte Anhockung gebracht werden. 

Natürlich gibt es aber keine Anhockung ohne Abspreizung, und das bedeutet, dass Babys Beinchen ordentlich in den Weg ragen. Womit wir gleich beim nächsten Kritikpunkt angelangt sind: der Verletzungsgefahr

Leider sind Passanten bei weitem nicht so aufmerksam oder rücksichtsvoll, wie man es sich als Eltern wünscht. Bei dem Video oben hatten wir tatsächlich eine Tragepuppe in einer Trage vor dem Bauch. Wie knapp das dennoch oft gewesen ist, habt ihr selbst gesehen. Die wegstehenden Beinchen in der Trage könnten nur allzu schnell von einer unachtsamen Person „mitgenommen“ werden. 

Unergonomisch für Eltern

Tragen soll gut für’s Baby sein. Aber auch ergonomisch und komfortabel für die Tragenden! Beim Tragen vor dem Bauch mit Blick zu Dir, ist Dein Baby ganz nah an Dir dran. Auch beim Rückentragen hast Du das Gewicht deines Kindes nah an dir. 

Wir kennen das alle schon von unseren Schulrucksäcken: Gut festziehen ist uncool, aber komfortabel. Baumelnde Schulrucksäcke sind zwar cool, lassen sich aber ungleich schwerer tragen. 

Auch beim Babytragen ist ein gut an dich gebundenes Kind leichter zu tragen als eines, das in einer schlecht festgezogenen Trage weiter von dir weg baumelt. 

Jetzt kannst Du bei der Fronttrageweise deine Trage so gut festziehen wie Du willst: Am Ende ist der Schwerpunkt deines Kindes ganz wo anders. Durch die nach vorn stehenden Beinchen müssen Eltern in eine belastende Ausgleichshaltung gehen. Rückenschmerzen sind da vorprogrammiert.

Jetzt wird vorwärtsgerichtetes Tragen auch nicht für Neugeborene empfohlen sondern meist erst ab ca 6 Monaten. Das bedeutet: Noch mehr Gewicht in einer suboptimalen Verteilung tragen.

Aber auch wenn man sich das Thema Beckenboden anschaut ist es wichtig, dass das Gewicht Deines Babys gut verteilt wird: Nach der Schwangerschaft und Geburt ist der Beckenboden noch sehr strapaziert und sollte geschont werden – weder sind regelmäßige Ausgleichshaltungen wie beim Tragen am Arm gut, noch eine ungünstige Gewichtsverteilung einer Fronttrageweise.

Aber mein Baby will gerne mehr sehen! – Alternativen zum Face forward

Ja, das ist ganz normal, natürlich möchte Dein Baby mehr sehen, denn es will seine Umgebung erkunden. Du wirst das vielleicht merken, wenn dein Baby sich in der Trage windet und immer wieder sein Köpfchen dreht. Wenn es sich weit nach hinten lehnt – ich hab das immer die „Arabeske machen“ genannt. 

Tatsächlich ist das Tragen in Gehrichtung aus Sicht der kognitiven Entwicklung Deines Kindes auch richtig und wichtig!

Bloß heißt das nicht, dass wir uns (und unseren Babys) all die Nachteile, die eine Fronttrageweise mit Blick nach vorn sich bringt, antun müssen. Es gibt zwei einfache Möglichkeiten: Tragen auf der Hüfte und Tragen am Rücken

Kleine und jüngere Babys sind auf der Hüfte des Tragenden gut aufgehoben. Mit fast allen Tragehilfen kannst Du auch auf der Hüfte tragen. Eine spezielle und schnelle Hüfttrage ist auch der Ringsling.

Auch aus Sicht der Anhock-Spreiz-Haltung ist Hüfttragen toll. Es hat natürlich den Nachteil, dass der Tragende mit steigendem Gewicht des Kindes wieder in schmerzhafte Ausgleichshaltungen geht. 

Deshalb ist mit größerem Baby das Rückentragen für beide – Baby und Eltern – eine perfekte Alternative!

Rückentragen: Ergonomische Aussicht

Dein Baby kann dann über deine Schulter schauen, sieht mehr und kann sich bei Bedarf aber auch zurückziehen. 

Der Unterschied ist für Dein Baby groß, weil es beim Rückentragen Dich auch noch im Blickfeld hat – als sicheren Hafen. Bei lauten Geräuschen kann es sich an Dich kuscheln. Bei lästigen Passanten kann es sich abwenden und bei Dir Schutz finden. Und die Aussicht ist wirklich auf Augenhöhe und nicht auf Bauchhöhe. 

Und wenn dein Baby schließlich von all den Abenteuern müde einschlafen möchte, kann es sich an Dich lehnen und mit Dir im Blickfeld einschlafen. Wie gemütlich und beruhigend

Willst Du mehr über das Rückentragen erfahren? Alle Details und auch eine Anleitung findest du in unserem Blogpost zum Thema Tragen am Rücken.

Mit Blick nach vorn tragen – wann macht es Sinn?

All das oben Gesagte gilt für die üblichen Tragesituationen. Was wir nicht aus den Augen verlieren sollten ist, dass es aber Tragesituationen und Tragepaare gibt, bei denen besondere Umstände besondere Maßnahmen erfordern. 

Eine solche Tragesituation ist etwa bei Eltern, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, gegeben. Da ist Tragen am Rücken natürlich keine Alternative. Dafür aber das Tragen vor dem Bauch mit Blick nach vorn. 

Allerdings ist hier auch die Gesamtsituation anders. Die Positionierung des Kindes ist nicht vergleichbar mit der vor dem Bauch baumelnden Trageposition, die sich bei gehenden Tragenden ergibt. Die Beinchen des Babys erfahren hier eine ganz andere Stützung. Die Verletzungsgefahr wird durch den Schutz des Rollstuhls ausgeschlossen. 

Auch für den Tragenden ist die Ergonomie hier ganz anders. 

Mir ist es wichtig klar zu machen, dass wir nicht aus Prinzip „dagegen“ sind. Es bedarf aber immer einer genauen Einschätzung der individuellen Situationen, um die für ein Tragepaar optimale Lösung zu finden. 

Ja, und deshalb haben wir ja das Buzzidil gegründet – um möglichst optimal unsere Babys ins Leben zu tragen. 

Fronttrageweise mit Blick nach vorn: Von Marketing und Nachfrage

Erst kürzlich wurde ich wieder gefragt, ob wir nicht mal eine Trage fürs Facing Out machen wollen…

Natürlich ist es ein tolles Verkaufsargument, wenn Tragehersteller sagen können, eine Tragehilfe bietet vier, fünf *werbietetmehr* Sitzpositionen an – aber nur weil es gesagt wird, muss es nicht immer gut sein oder stimmen. 

Selbstverständlich könnten wir auf den Zug aufspringen – doch das passt nicht zu uns. Buzzidil habe ich für meinen Sohn entwickelt, weil ich die beste Tragehilfe für ihn und mich wollte. Eine ergonomische Tragehilfe, die stufenlos mitwächst und sein Gewicht optimal verteilt, sodass ich bequem und komfortabel tragen kann.

Jetzt eine Trage anzubieten, mit der auch ein Tragen mit dem Blick nach vorne möglich ist, würde meinem ursprünglichen Ziel widersprechen. Das Tragen vor dem Bauch und auf dem Rücken, eventuell auf der Hüfte und ein Umbau zum Hüftsitz sind großartige Tragepositionen, um entspannt und schmerzfrei durch die Tragezeit zu kommen. Facing out kann da ebensowenig mithalten wie das brühmte Tragen auf den Schultern.

Selbst wenn wir künftig weiterhin immer wieder Fragen zu diesem Thema bekommen, bleiben wir unserer Linie treu: Ergonomisch durchdachte Tragen, Hybrid-Tragen, neue Innovationen und nachhaltige Produkte, die lange Freude machen und ergonomisch komfortabel sind – dafür steht Buzzidil.

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