Frauen - Rückgrat der Gesellschaft

- Kategorie : Insights
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Nach einem Jahr pandemiebedingter Lockdowns sind wir heute weiter weg von einer Gleichberechtigung der Frauen als noch vor einem Jahr. Das zeigen Analysen der Arbeitslosenstatistiken ebenso wie die tägliche Realität in den allermeisten Familien.

Diesen "Kommentar der anderen" habe ich vor einem Jahr an die Tageszeitung Der Standard geschickt. Am 5.3.2020. Das war zu der Zeit, als Ischgl "viral" ging, zu der Zeit, als ein Lockdown auch bei uns im Raum stand. Zwei Wochen danach war es so weit. Jetzt, ein Jahr später, ist klar, dass es so wurde, wie ich in diesem Beitrag befürchtet hatte. Dennoch haben wir jetzt, ein Jahr und viele Erfahrungen später genausowenig ein Konzept oder einen Konsens, wie es gehen sollte. Unsere Frauenministerin spricht von Geldern für Frauen am Arbeitsmarkt. Gleichzeitig bietet sie aber nicht mal im Ansatz ein funktionierendes Konzept einer Gleichberechtigung. Dabei würde es eigentlich auf der Hand liegen. Ich lebe von Beginn unserer Elternreise vor 15 Jahren mit meinem Mann diese Gleichberechtigung. Aber noch immer sind wir eine Ausnahme. 

Hier mein Kommentar der anderen, verfasst am 5.3.2020 - und leider heute so gültig wie damals: 

Gleichberechtigung einer Gesellschaft

Gleichberechtigung beginnt im Privaten. Ein gesellschaftlicher Grundkonsens, dass alle privaten Agenden in einer Familie von Männern und Frauen gleichermaßen wahrzunehmen sind, würde wirtschaftliche Ungleichheiten auflösen.

Neben Corona und Syrienkonflikt droht er heuer unterzugehen, der Weltfrauentag. In Krisenzeiten muss Gleichberechtigung sich hinten anstellen. Dabei geht es hier um ein Anliegen, das immerhin 50% der Bevölkerung betrifft; würde man es realistisch sehen, sogar 100%. Tatsächlich gibt es viele Krisen zu meistern, allen voran aber die Krise einer Gesellschaft, die es noch immer nicht geschafft hat, echte Gleichberechtigung umzusetzen – trotz aller Frauenquoten, -ministerien und Debatten über den ebenso nach wie vor bestehenden Gender Pay Gap. Eine Krise, die sich in Corona-Zeiten, wenn plötzlich Schulen und Kindergärten wie in Italien geschlossen würden, hart offenbaren würde – denn raten wir mal, wer all die Kinder dann wohl zu Hause versorgen müsste? 

Was in unserer Gesellschaft völlig fehlt, ist die grundlegende und unverrückbare Einstellung, dass Gleichberechtigung in allen gesellschaftlichen Belangen bestehen muss. In beruflichen, vor allem aber auch in familiären Belangen. Kämpfen wir im Beruflichen um die Gleichstellung der Frau, so krankt es im Privaten ebenso sehr an der Gleichstellung des Mannes.  

Vereinbarkeit ist eine Frage für Frauen

Das beginnt schon bei der Frage der Berufsauswahl, die sich Mädchen und Burschen ab dem Teenager-Alter stellt. Während bei Jungs diese Karrierefindung rein interessenorientiert abläuft, steht bei Mädchen ganz schnell das Thema der „Vereinbarkeit“ im Raum. Und warum? Weil in den Köpfen unserer Gesellschaft Familie, Haushalt und Kinder Frauen-Aufgabe sind. 

Da hört dann ein Mann, der mit seiner Frau tatsächlich 50:50 macht, sehr schnell von Geschäftspartnern den bezeichnenden Satz: „Ich finde es großartig, wie Du Deine Frau unterstützt“. Ein Satz, der ebenso eine gesellschaftliche Grundhaltung offenbart wie die denkwürdige Kampagne des Handelsriesen Bipa vor zwei Jahren (Anm: 2018): Am Weltfrauentag -25% auf Putzmittel – mit einem männlichen Testimonial und dem Versprechen „Ich pack im Haushalt mit an.“ Mit. Denn zuständig ist ja eigentlich die Frau. Oder?

Wer aktuell durch Instagram scrollt sieht sie – all die Profile von wunderschönen Frauen, die mit links schwanger sind, die später ihre Kinder ebenso perfekt schupfen wie den makellosen Haushalt. Männer sind da weit und breit nicht in Sicht. Dass so manche Influencerin tatsächlich hochprofessionelle Geschäftsfrau ist, die teils wohl erheblich zum Familieneinkommen beiträgt, ist unsichtbar. Was aber dabei umso sichtbarer wird, ist das Sittenbild einer Gesellschaft, die es auch mehr als 100 Jahre nach dem Erkämpfen des Frauen-Wahlrechts noch immer nicht zu echter Gleichberechtigung geschafft hat.  Dabei wäre eine gleichberechtigte Gesellschaft unsere Möglichkeit, wirklich aus 100% der vorhandenen Ressourcen zu schöpfen. 

Gleichberechtigung des Mannes

Vater im Homeoffice

Gleichberechtigung muss tatsächlich bei der Gleichberechtigung des Mannes beginnen – und zwar in allen Agenden einer gemeinsamen Familien- und Haushaltsführung. Hier müsste am Anfang jeder Überlegung der Gedanke stehen: Zwei Partner führen ein gemeinsames Leben und diese zwei Partner sind für alle Agenden dieses gemeinsamen Lebens gleich zuständig. Wie das dann individuell weiter ausgehandelt wird, welche wirtschaftlichen Überlegungen eine Familie anstellt, welche Ressourcenlösungen gefunden werden, wäre ein zweiter Schritt. Der grundlegende Gedanke muss aber sein: Gemeinsames Leben, gemeinsame Verantwortung, gemeinsame gleichteilige Aufgabenverteilung in allen privaten Belangen. 

Aktuell aber ist es so, dass für Kinder und Haushalt zu allererst einmal Frauen zuständig sind – und Männer helfen mit. Oder auch nicht. Oder sie sind Helden, wenn sie tatsächlich 50:50 machen, was selten genug passiert.

Wir verschwenden Ressourcen

Dabei ginge bei einem gleichberechtigten Ausgangspunkt so viel mehr: Es ginge sich aus, dass Mann und Frau gleichermaßen innigen Kontakt zu ihren Kindern haben. Es ginge sich aus, dass Mann und Frau gleichermaßen beruflichen Erfolg haben. In der Folge ginge es sich aus, dass Kinder auf wesentlich mehr Ressourcen Zugriff hätten, ebenso wie eine Wirtschaft nicht regelmäßig 50% ihrer produktiven und kreativen Ressourcen außenvor lassen müsste. Und am Ende ginge es sich noch aus, dass Partner einer gleichberechtigten Beziehung einander auf Augenhöhe begegnen, dass Attraktivität in demselben Ausmaß wächst wie echte Partnerschaft Menschen zu Verbündeten, zu einem starken Team macht. 

Aus wirtschaftlicher Sicht wäre ein Gender Pay Gap an der Stelle hinfällig. Wenn selbstverständlich ist, dass sowohl Väter als auch Mütter für ihre Kinder zuständig sind, müssten sich Unternehmen nicht mehr länger von „Ausfällen“ weiblicher Mitarbeiter fürchten. Tatsächlich ist erwiesen, dass sich der Gender Pay Gap nur zu einem Drittel auf Basis wirtschaftlicher Fakten, wie Branche, Ausbildungsniveau oder Vollzeit/Teilzeit erklären lässt. Zwei Drittel sind „unerklärbar“.  

In einer gleichberechtigten Gesellschaft wäre hingegen klar: Kinder sind die Basis unserer Zukunft und in diese Basis würden nicht nur Frauen, sondern alle gleichermaßen investieren: Mütter, Väter, Unternehmen, die Politik. 

Bettina Stomper-Rosam ist Unternehmerin und Juristin und lebt als Mutter von vier Kindern mit ihrem Mann eine 50:50 Partnerschaft. In ihrem Unternehmen www.buzzidil.com arbeiten acht weibliche Mitarbeiterinnen. Kinder sind im Büro ausdrücklich willkommen. (Anm: Im letzten Jahr leider Corona-bedingt nicht familienübergreifend)

Link zur Ursachenforschung zum Gender Pay Gap.

Kinder im Büro - Foto aus 2019

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